Gault Millau 2013: Kritik an deutschen Spitzenköchen

Neben dem Guide Michelin ist der nach seinen Herausgebern Henri Gault (1929–2000) und Christian Millau (*1928) benannte «Gault Millau» der wohl einflussreichste Restaurantführer. Er vergibt die Hauben, die neben Michelins Sternen begehrteste Auszeichnung der Haute Cuisine. Nun ist der «Gault Millau» 2013 erschienen: Neben vielen Auszeichnungen kritisiert die Gourmetbibel auch die deutschen Spitzenköche.

Die wichtigste Nachricht gibt es gleich vorne weg: Christian Jürgens vom Tegernsee ist «Koch des Jahres». Der in Unna geborene Spitzenkoch begann im Juli 2008 als Küchenchef im Althoff-Hotel Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee. Mit seinem Gourmetrestaurant Überfahrt erkochte er sich zwei Sterne im Guide Michelin. Der 44-jährige Metzgersohn «huldigt mit Intelligenz und Ironie dem Produkt und lebt vor, wie man das Flair der Landschaft in einen Küchenstil auf der Höhe der Zeit umsetzen kann, fern jeder Volkstümelei», so der «Gault Millau».

Eine höhere Bewertung als der passionierte Skifahrer Jürgens haben in dem nach dem französischen Schulnotensystem urteilenden Guide nur vier deutsche Köche, die ihre 19,5 Punkte des Vorjahres verteidigen:

19,5 von 20 möglichen Punkten

  • Harald Wohlfahrt von der Schwarzwaldstube in Tonbach, dank «der unglaublichen Geschmacksintensität seiner Küche und des schon 32 Jahre währenden Kunststücks, sich und seine Küche immer wieder neu zu erfinden.»
  • Joachim Wissler vom Vendôme in Bergisch Gladbach, dessen «experimentelle High-End-Küche neue Trends setzt und demonstriert, dass man auch mit hochklassigen heimischen Viktualien in der Champions-League mithalten kann.»
  • Klaus Erfort vom GästeHaus Klaus Erfort in Saarbrücken, der «den Produkten das Maximum an Wohlgeschmack entlockt.»
  • Helmut Thieltges vom Waldhotel Sonnora in Dreis in der Südeifel, «der klassisch französische Tradition mit moderner Leichtigkeit und komplexer Aromatik verbindet.»

Der «Gault Millau» kritisiert viele Köche im Umgang mit ihrer Definition von Regionalität. «Regionalität gilt zwar als Mega-Trend, aber die Köche, die sich dem Thema wirklich mit viel eigenem Engagement widmen, bilden eine kleine Minderheit», so die Gourmetbibel in ihrer am 14. November 2012 erschienenen Ausgabe. Allzu oft bliebe die Regionalität ein Lippenbekenntnis. Ein bis zwei Alibi-Produkte auf der Karte würden genügen, den Gästen die versprochene Regionalität zu suggerieren.

19 von 20 möglichen Punkten

  • Auf 19 Punkte steigt Claus-Peter Lumpp vom Restaurant Bareiss in Baiersbronn auf. «Mit neu erwachtem Selbstbewusstsein zeigt er deutliche Ansätze zu eigener Interpretation seines nach wie vor französisch-mediterran inspirierten Küchenstils.» Die 19 Punkte gehalten haben
  • Christian Jürgens von der Überfahrt in Rottach-Egern am Tegernsee. Der 44-jährige Metzgersohn «huldigt mit Intelligenz und Ironie dem Produkt und lebt vor, wie man das Flair der Landschaft in einen Küchenstil auf der Höhe der Zeit umsetzen kann, fern jeder Volkstümelei».
  • Tim Raue vom gleichnamigen Restaurant in Berlin, «bei dessen sorgsam orchestrierten Zusammenspiel von Gewürzen und Aromen aus China, Japan und Thailand sich süße, saure, scharfe und salzige Noten gegenseitig in Schach halten.»
  • Thomas Bühner vom La Vie in Osnabrück, «auf dessen Tellern ein dekoratives Durcheinander herrscht, das ein wenig willkürlich wirkt, aber ganz genau kalkuliert ist.»
  • Hans Stefan Steinheuer von Steinheuers Restaurant Zur alten Post in Bad Neuenahr, der «eine untrügliche Witterung für alles hat, was in der Luft liegt.»
  • Nils Henkel vom Gourmetrestaurant Lerbach in Bergisch Gladbach, der «seine Bestimmung derzeit im ‚pur nature‘ genannten Küchenstil sieht.»
  • Heinz Winkler von der Residenz Heinz Winkler im oberbayerischen Aschau, bei dem «jeder Teller zu einem in sich geschlossenen Geschmacksuniversum wird.»;
  • Christian Bau vom Victor's Gourmet Restaurant im saarländischen Perl, dessen «überperfektionierte Teller meist wie nach Lehrbuch auf dem Reißbrett entworfen und daher oft seelenlos wirken, aber stets höchst kreativ und makellos zubereitet sind.»;
  • Von 19,5 auf 19 Punkte fällt Sven Elverfeld vom Aqua in Wolfsburg, weil er «zu viele Gerichte kreiert, die mehr auf den Wow-Effekt als auf die langanhaltende Genussbefriedigung ausgerichtet sind und mehr Ideenreichtum als Geschmacksfülle bieten.»

Auch beschäftigt sich der «Gault Millau» in seiner 30. Ausgabe auch mit anderen Trends. Zum Beispiel kritisiert der Restaurantführer den Trend der nordischen Küche, die Verwendung von Kraut und Gemüse in Desserts. «Wenn das Hirn bereits deutliche Sättigungssignale sendet und der Gaumen durch das Wechselspiel unterschiedlicher Aromen ermattet ist, hat nur eine Geschmacksrichtung noch eine echte Chance, weil sie ganz anders ist: das Süße», so der «Gault Millau».

Ausdrücklich begrüßt der Guide das wachsende Interesse «an Küchenstilen aus Fernost, die unsere Esskultur in Zukunft nachhaltig prägen werden» und «zu verschlankten, fokussierten Weinkarten mit klarem Profil». Scharf kritisiert er «den Trend zur minimalistischen Speisekarte, die den Gast entmündigen will» und «die zunehmende Phantasielosigkeit in deutschen Küchen». Unter dem selbst auferlegten Druck, neue kreative Gerichte zu produzieren, entdeckten viele Köche das Internet als Inspirationsquelle.

18 von 20 möglichen Punkten

Denis Feix vom Il Giardino im bayerischen Bad Griesbach hält nun 18 von 20 möglichen Punkten, weil er «in begeisternder Leichtigkeit gekonnt Kontraste nutzt.» Foto: COLUMBIA Hotel Bad Griesbach
  • Neu dabei: Denis Feix vom Il Giardino im bayerischen Bad Griesbach, der «in begeisternder Leichtigkeit gekonnt Kontraste nutzt.»,
  • Neu dabei: Christoph Rüffer vom Haerlin in Hamburg, der «dann am besten zur Geltung kommt, wenn anderen beim beschränkten Angebot die Ideen ausgehen: im Winter.»
  • Neu dabei: Christian Scharrer vom Buddenbrooks in Lübeck, der «die klassische Küche durch seine modernen Interpretationen glänzen lässt.»
  • Neu dabei: Peter Maria Schnurr vom Falco in Leipzig, «in dessen Menüs unablässig Aromenwelten und Texturen, Formen und Farben wechseln.»
  • Neu dabei: Ronny Siewert vom Friedrich Franz in Bad Doberan-Heiligendamm, der «in kontrastreichen Kreationen ein Feuerwerk filigraner Aromenkunst zündet.»

Ganze 27 Köche erkochten sich die 18 Punkte des renommierten Restaurantführers «Gault Millau». Diese Punktzahl steht für «höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung» stehen; 19 und 19,5 Punkte bedeuten Weltklasse.

18 von 20 möglichen Punkten

Weitere Ehrungen

Weil sie «Fernöstliches in hierzulande seltener handwerklicher und geschmacklicher Perfektion» bietet, wird die gebürtige Südkoreanerin Sarah Henke vom Spices in List auf Sylt «Aufsteiger des Jahres». Foto: Grand SPA Resort A-ROSA

Weil sie «Fernöstliches in hierzulande seltener handwerklicher und geschmacklicher Perfektion» bietet, wird die gebürtige Südkoreanerin Sarah Henke vom Spices in List auf Sylt «Aufsteiger des Jahres». Der «Gault Millau» zeichnete Henke mit 16 Punkten aus. Oliver Röder aus dem Bembergs Häuschen in Euskirchen ist die «Entdeckung des Jahres». Laut des Restaurantführers ist Röder «herrlich unangestrengt, manchmal spielerisch, aber stets durchdacht kochend.»

Außer dem Koch, dem Aufsteiger und der Entdeckung des Jahres zeichnet der Guide noch weitere kulinarische und gastronomische Leistungen aus:

  • «Oberkellner des Jahres»: Antje Kirsch vomCaroussel in Dresden,
  • «Sommelier des Jahres»: Thomas Sommer vomGourmetrestaurant Lerbach in Bergisch Gladbach,
  • «Restaurateur des Jahres»: Michael Käfer, der vom Bundestag in Berlin über das Oktoberfest bis in die BMW Welt von München gastronomisch engagiert ist,
  • «Pâtissier des Jahres»: René Frank vom La Vie in Osnabrück
  • «Kochschule des Jahres»: Ingo Holland vom «Alten Gewürzamt» in Klingenberg am Main.

Der aufgrund seiner harten Urteile von den Köchen gefürchtete «Gault Millau» bewertet in seiner neuen Ausgabe 1040 Restaurants. Die 26 Tester, die stets anonym auftreten und in diesem Jahr 276.700 € Spesen machten, verleihen 858 Luxuslokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants die begehrten Kochmützen. Dazu müssen die Köche mindestens 13 von 20 Punkten erreichen, was einem Michelin-Stern nahe kommt.

Laut «Gault Millau» wurden 106 langweilig gewordene Restaurants abgewertet. 89 inspirierte Küchen wurden hingegen wieder aufgenommen oder neu hinzugefügt. Je 124 Köche wurden höher oder niedriger als im letzten Guide bewertet.

14. November 2012