Immer wieder ein besonderes Erlebnis.
Die meisten Köche sind ja nicht gerade Intelligenzbestien. Herr Stern ist das Gegenteil. Nur so sind die Dinge möglich, die hier passieren. Man bedenke: er macht Büroarbeit, Einkauf, Kochen und Service zu mindestens 90 % allein. Als Gastgeber ist er für mich perfekt. Er weiß gut, mit wem er provokant herumflachsen kann. Als ich nach zwei Gläsern Champagner fragte, kam wie aus der Pistole geschossen: "gern, aber nur eine Flasche. Soll ich Ihnen Roederer Crystal oder lieber den Dom Perignon bringen?" Nach meinem Einknicken: "schade, die Finanzierung meines Urlaubs steht noch nicht ganz". Es wurde also ein Winzersekt.
Extrem bewundernswert ist, dass wir um 20:00 Uhr eintrafen und um 22:00 Uhr pappsatt das Restaurant verließen. Wie auch ich es in meiner Praxis mache, erfolgen alle Leergänge fast im Laufschritt. Alle Zeit den Gästen.
Der höchst ansehnliche Einrichtungsstil folgt der langen Tradition des Laves-Jagdhauses. Das hat einfach Stil (siehe Bild). Die Tische sind ordentlich gedeckt, Pfeffer- und Salzmühlen, eine schlanke brennende Kerze im Leuchter, blütenweißes Tischtuch, gut polierte Gläser und Besteck und eine Papierserviette mit recht textiler Anmutung (als Konzession an die Wirtschaftlichkeit). Die Karten sind frisch bedruckte dicke DIN A4-Blätter. Wasser wie immer in der tollen Karaffe mit dem Silberdeckel (siehe Bild).
Reichlich Ciabatta vom Ausnahmebäcker Gaues in gaumengefährdender Knusprigkeit und sternige Buttervariationen auf alter doppelbödiger Aluminiumschale (für Eiswürfel) standen schnell auf dem Tisch. Dazu die immer wieder netten zweifarbigen Möhrenstifte (siehe Bild). Ebenso schnell wählte ich einen Rotwein von der "dreidimensionalen" Karte(siehe Bild), und zwar den Spätburgunder von Dreissigacker "Wunderwerk" für 46 Euro (Einkauf gut 20.-). Herr Stern kalkuliert hier sehr moderat. Der Dom Perignon wäre also wahrscheinlich für deutlich unter 300.- Euro zu haben gewesen. Zur Vorspeise orderten wir noch je ein Glas vom Hauswein (ein kalt vergorener herzhafter Grauburgunder - ich hätte Riesling-Silvaner getippt).
Die Vorspeisen kamen recht zügig. Meine Frau hatte die Schulter vom Eichelmastschwein auf Salat, ich Nordseekrabben auf Salatbett. Herr Stern legt viel Wert auf Dinge wie Nachhaltigkeit, artgerechte Haltung, Krabben, gepult in Deutschland. Das gefällt mir. Die Schweinefleischscheiben waren sensationell dunkelrosa und konnten mit zwei Gabeln zerzupft werden. Herr Stern meinte auch, dass er für eine Schulter das bezahlt habe, was andere für ein ganzes Schwein ausgeben. Die Salate waren vielfältig, knackig und schmackhaft angemacht.
Die Hauptspeisen, bei meiner Frau Entenbrustscheiben, bei mir Eichelmastfilet vom oben beschriebenen Borstenvieh. Die Soßenspiegel waren beide sehr schmackhaft und recht fruchtbetont. Der Kartoffelbrei kam in eine stilvollen Metallschale separat und war extrem gut. Die Gemüsebeilagen (siehe Bild) waren wie immer meisterhaft zubereitet. Herr Stern ist kein Butter-Sahne-Knauserer. Die Möhrenscheiben traditionell sternförmig wie die Rote-Beete-Scheibe, die immer die Teller krönt. Die Ente war kross gebraten und hatte eine fabelhaft "entigen" Fleischgeschmack. Mein Schweinefilet stellte noch einmal eine Genuss-Steigerung gegenüber der Schulter dar.
Als Dessert nahmen wir beide die karamellisierte Apfeltarte mit Vanilleeis. Besser als hier kann man sie nicht machen. Nach 700 ml Rotwein, 400 ml Weißwein, 300 ml Sekt verzichteten wir auf ein geistiges Getränk lieber, auch wenn die Hilgert-Brände immer sensationell sind.
Am Schluss fragte ich, wo Trinkgeld unterzubringen sei, und Herr Stern antwortet wieder mit einem typischen Joke: "bitte an die Küchenhilfe, die ist darauf angewiesen, ich bezahle ihr nichts".
Ein sehr gelungener Geburtstagsabend. Auch, wenn unsere Zeit immer extrem knapp ist. Für das alte Jagdhaus werden wir uns wieder welche nehmen.
Bedienung
Mit Stern-Bonus. Ich mag seine Art.