„Food Porn“: Digitale Medien ändern unsere Essgewohnheiten

Immer öfter definieren sich Menschen über das, was sie essen und teilen es in den sozialen Medien. Doch das „Food Porn“-Phänomen ändert unsere Essgewohnheiten und macht uns, das besagen einige Studien, sogar dick.

Egal ob "Das perfekte Dinner", "die Kochprofis", "Rosins Restaurants" oder die "Küchenschlacht". Das Thema Essen ist nicht nur im Fernsehen omnipräsent. Denn auch wer in sozialen Netzwerken unterwegs ist, wird es kaum schaffen, dem "Food Porn"-Phänomen aus dem Weg zu gehen. Überall wohin man sieht, sind Essensfotos zu bewundern.

Doch warum stellen die Leute Bilder von ihrem Essen ins Internet? Diese Frage stellte das Unternehmermagazin impulse in einem Interview der österreichischen Trendforscherin und Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler. "Der gedeckte Tisch war schon immer ein Ausdruck der Zeit. Es gibt eine wunderschöne Analyse, was die Jünger beim letzten Mahl auf dem Tisch hatten: Über die Jahrhunderte hat sich das deutlich verändert. Im Moment tritt das alles sehr individualisiert zutage. Essen ist ein wunderbares Mittel, Individualität auszudrücken", so die 53-jährige Rützler.

Die Professorin Eva Barlösius von der Universität Hannover hat eine ähnliche Meinung, die sie der Zeitschrift "Die Welt" mitteilte. Ihrer Ansicht nach ginge es den Usern darum, ihren Lebensstil anhand der Fotos zu präsentieren und zu demonstrieren, dass man sich "gutes Essen" leisten könne. Die kanadische Psychiaterin Valerie Taylor sieht in dem Veröffentlichen der Bilder sogar eine ernste Störung. Wie Taylor berichtet, gebe es Menschen, die sich nur noch mit Essen beschäftigen würden.

Nie hatte das Essen einen so hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Die Food-Bewegung findet immer mehr im Internet statt. Hashtags wie #foodporn oder #foodlove sind in aller Munde. Rund 70 Millionen Fotos finden sich zum Beispiel unter dem Hashtag #foodporn auf Instagram. Die "Berlin Food Week" verlieh in diesem Jahr sogar erstmalig die "Food Porn Awards".

Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist

Doch birgt sich in dem neuen Wahn auch ein Problem: Food-Fotos können "visuellen Hunger" auslösen, denn die Bildflut in den sozialen Medien verführt zum Essen. Laut einer aktuellen Studie könnte das "Food Porn"-Phänomen sogar Übergewicht begünstigen. Wie Wissenschaftler der Oxford Universität herausgefunden haben, erhöhen Essensfotos das Risiko, dick zu werden. "Das regelmäßige Betrachten solcher Fotos löst vielleicht mehr Hunger aus, als gut für uns wäre", so die Wissenschaftler im Fachmagazin "Brain and Cognition".

Oft wird vor allem die Nahrungsmittelindustrie dafür verantwortlich gemacht, dass das Übergewicht in der Bevölkerung eine immer größere Rolle einnimmt. Doch lenkt die Oxford Universität den Fokus nun auf die Millionen und Abermillionen Essensfotos, die wir täglich in den sozialen Medien sehen. Allein in Deutschland sind laut des Robert Koch-Institutes zwei Drittel der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen (23 % der Männer und 24 % der Frauen) ist sogar stark übergewichtig (adipös).

Außerdem besagt die Studie, dass die steigende Anzahl der Kochsendungen dazu führen würde, dass Essen "verherrlicht" werde. Dabei vergesse man, die gesundheitlichen oder ökologischen Folgen zu erwähnen, die ein Nahrungsmittelverbrauch in dem Umfang mit sich bringen würde. Doch ließe sich der "Food Porn"-Trend auch positiv nutzen. So können die Essensbilder unter anderem bei Kindern den Appetit auf Gesundes steigen.

Restaurant-Gäste fühlen sich von Food Porn gestört

Foto: obs/Bookatable GmbH & Co.KG

Wie die Online-Tischreservierungsplattform Bookatable überdies herausfand, fühlen sich viele Restaurant-Gäste sogar davon gestört, dass andere Gäste Fotos von ihrem Essen machen. Das Unternehmen berichtet davon, dass der Schriftzug "Bitte hier im Restaurant das Essen nicht instagrammen!" an einem Schild innerhalb eines Berliner Restaurants zu finden ist. Das Online-Reservierungsportal fragte bei über 400 Gästen nach, was sie von einer regen Smartphone-Nutzung im Restaurant halten.

Mehr als die Hälfte (54 Prozent) finden das Fotografieren und das Posten der Speisen in sozialen Netzwerken als störend. Allerdings sehen sie aus nicht so eng, dass sie es per Gesetz verbieten lassen wollen würden. Die Gesetzeslage hierzu wäre ohnehin noch viel zu schwammig. Viele Experten diskutieren derzeit darüber, ob der Koch der fotografierten Speise nicht sogar den Schutz des Urheberrechts genießt. 45 Prozent der von Bookatable befragten Menschen sind der Meinung, dass sie ihr Essen fotografieren und posten können, wie sie mögen. 40 Prozent finden die oben genannte Regelung eines Berliner Restaurants völlig okay.

28 Prozent der Befragten freuen sich bei wirklich interessanten und besonderen Speisen über die geposteten Bilder anderer User. Lediglich sieben Prozent finden alle Food-Aufnahmen in den sozialen Netzwerken toll, fotografieren und posten auch selber.

Auch fragte das Unternehmen bei den Wirten nach. Unter den 25 befragten Gastronomen freuen sich 84 Prozent über die fotografierenden Gäste. Schließlich sei dies eine gute Werbung für ihre Speisen, sagten die Gastronomen unisono. Die restlichen 16 Prozent finden das zu exzessive Fotografieren allerdings störend für andere Gäste.

21. Oktober 2015