Am 21.12.2013 fand über die Mittagszeit unser Besuch (4 Erwachsene, 1 Kleinkind) in dieser Lokalität statt, die zu diesem Zeitpunkt mässig frequentiert war. Die spezielle Lage oberhalb der Stadt Marburg, gleichsam "angeklebt" an die Festungsmauern, bot einen schönen Blick auf Altstadt (da Fensterplätze) und die, mit einer individuellen Note versehene Gestaltung der Räume versprachen uns einen entspannten Aufenthalt. Auch der erste Blick in die - nach meiner Auffassung eher knapp gehaltenen Speisenauswahl - liessen keinen Schluss auf den weiteren Verlauf zu. Auf dem Weg zu den sauberen Toiletten kam ich am Weinschrank vorbei - erfreulich, dass der Rotwein an diesem Ort gelagert und somit auf Zimmertemperatur angeglichen war. Ein Blick zeigte mir auch, dass auch ein Antinori Tignanello vorrätig war und fasste den Entschluss, diesen Wein an diesem – für unsere Gruppe – speziellen Tag zu bestellen. Nach der Speisenauswahl wurde uns auf Nachfrage die Weinkarte gezeigt, auf der ich den oben erwähnten Tignanello nicht fand und nochmals nachfragte. Die Reaktion des Kellners „Ach, sie wollen diesen Wein? Da muss ich Ihnen die andere Karte bringen“ hätte mich warnen sollen. Wo kommen wir denn hin, wenn sich das Personal anmasst, über den Geldbeutel des Kunden zu urteilen? Personal übrigens, dass in meinen Augen für die Arbeit an diesem Ort unpassend gekleidet ist – nachlässiger Look mit Blue Jeans, Hemden mit umgeschlagenen Manschetten und eine gespielte Weltläufigkeit, die man dem Personal nicht abnahm, sind fehl am Platz. Zur Erläuterung: mit einem französischen „de rien“ auf den Dank für das Auftischen zu antworten oder einen am Tisch sitzenden Schweizer Gast in jovialem Kauderwelsch „Ist es guet gsi?“ zu fragen, ob das Essen gemundet hat, sind Fehlleistungen und hat für mich nichts mit Kundenfreundlichkeit zu tun.
Mein Essen – Brust und Keule von der Oldenburger Gans – war, formulieren wir es einmal höflich: solide. Mehr aber auch nicht. Das Fleisch trocken, beinahe ausgetrocknet – in meinen Augen zu lange im Ofen – die Sauce milderte diesen Zustand auch nicht, vielmehr erinnerte sie geschmacklich an eine Fertigmischung, war nicht abgeschmeckt und hatte eine Konsistenz wie verdünnte Mayonnaise (wenngleich die Farbe nicht zu Mayonnaise passte), die Knödel waren brüchig (was Kartoffelknödel nach meiner Erfahrung nicht sind) und von den vollmundig angepriesenen Kastanien aus dem Schlossgarten fanden sich gerade einmal zwei Stück auf dem Teller – es hätte durchaus eine dritte und vierte Marone vertragen...
Einer Begleiterin wurde ein Wildragout in einer gusseisernen Pfanne serviert, die Spätzle als Beilagen separat, aber kein Teller aufgedeckt. Offensichtlich ging der Service davon aus, dass die Spätzle in die Pfanne umgekippt werden und der Gast dort alles zusammengemischt isst; hier wäre ein Teller zum Schöpfen hilfreich gewesen. Längeres Warten (ca. 5 Minuten) auf den Kellner und Zeichengabe wurden ignoriert, so dass ich meiner Schwägerin kurzerhand einen Teller vom aufgedeckten Nachbartisch organisierte. Einer weiteren Person wurde das Essen nach längerer Wartezeit lauwarm serviert, der entsprechender Hinweis wurde mit einem „Das tut mir aber leid – ich kanns gerne in der Küche aufwärmen lassen“ quittiert. Der Einwand, es habe schon lange gedauert und wir wollen nun endlich zusammen und nicht gestaffelt essen, schien dem Personal gleichgültig zu sein.
Kurzum: das Essen aller am Tisch anwesenden Personen gab zu Kritik Anlass. Angefangen von der Temperatur, der Machart (verkocht, trocken) bis hin zu einem Aussehen/Geschmack, der auf Fertigkost schliessen lässt. Und es sollte bei einer Gruppe von 5 Personen möglich und machbar sein, dass Essen gleichzeitig aufzutischen.
Als Randnotiz se erwähnt, dass wir auf Bestellung eines Desserts verzichteten, aber einen Kaffee respektive Espresso bestellt. Aber nicht einmal das funktionierte: der Espresso wurde mir serviert, auf den georderten Kaffee wartet meine Schwägerin noch heute.
Die Abrechnung brachte für mich dann das Fass zum überlaufen, auch wenn es nur den Wein betraf, den ich für die Runde übernahm – 139 EUR waren dem Rechnungsbeleg zu entnehmen, obwohl die Weinkarte den Tropfen (der unbestritten exzellent war, was aber nicht dem Personal zuzuschreiben ist) mit 115 EUR auswies. Also war auch hier ein dezenter Hinweis für eine Korrektur fällig. Ein netter Versuch, mal schnell 24 EUR zusätzlich einzusacken...
Wenn Du etwas tust, dann tue es richtig – dieses Motto hat sich der für uns zuständige Keller ganz offensichtlich zu Herzen genommen: jedes mögliche Fettnäpfchen hat er zielsicher angesteuert, vor allem brachte er es trefflich fertig, auf Hinweise resp. Reklamation des Gastes nicht zu reagieren. Ein schnödes „Ach, das tut mir leid.“ war das Höchste der Gefühle.
Fazit 1: So wie das Restaurant eingerichtet war, hinkt die Küche geschmacklich und von der Menüauswahl den Interieur-Ansprüchen deutlich hinterher.
Fazit 2: Aufmerksames und geschultes Personal ist in der Lage, Kritik als Chance zu nutzen. Fazit 3: Schnelligkeit und Überblick der Bedienung lassen zu wünschen übrig. Für eine Studentenkneipe wäre das Dienstleistungsgebaren jedoch stufengerecht.
Fazit 4: Für das hier gebotene Preisniveau gibt es bessere Alternativen. Den auf der Internetseite publizierten Anspruch „Der neue Gourmet- Treffpunkt für Feinschmecker und Freunde der gehobenen Tischkultur“ wird in keinem Belang Rechnung getragen.
Fazit 5: Marburg besitz eine sehenswerte, schnuckelige Altstadt. Um den Bückingsgarten ist ein weiter Bogen zu machen.