Gastronomie: Was spricht für die Mehrwertsteuererhöhung und was dagegen?

Das Gastgewerbe hat in einer Zeit, die von einer Pandemie, einer Energiekrise, Inflation und akutem Fachkräftemangel geprägt ist, mit zahlreichen komplexen Herausforderungen zu kämpfen. Um der Branche in diesen turbulenten Zeiten zur Seite zu stehen, wurde 2020 als Reaktion auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen in der Gastronomie eingeführt. Jedoch war diese Senkung nur als temporäre Maßnahme geplant und ist bis Ende 2023 befristet. Nun fordert die Gastronomie jedoch die dauerhafte Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes. Aus verschiedenen Gründen.

Doch es gibt auch Argumente, die gegen eine Weiterführung der Maßnahme sprechen.

Welche Argumente sprechen für eine Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes?

Die Forderung nach einer dauerhaften Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent ist lauter denn je. Insbesondere der DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V.) verlangt eine Fortführung der Maßnahme und stützt sich dabei unter anderem auf die Aussage von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat 2021, der damals ankündigte, dass die ermäßigten Mehrwertsteuersätze dauerhaft beibehalten würden. Eine Aussage, die von vielen Branchenvertretern und Gastronomen als Hoffnungsschimmer wahrgenommen wurde. Doch die Hoffnungen könnten nun jäh zerstört werden. Denn kommt es zu keiner Gesetzesänderung wird ab 1. Januar 2024 wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen gelten.

Eine Aussicht, die laut der DEHOGA katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte. So zeigte eine Umfrage des DEHOGA, an der 9.600 Betriebe aus ganz Deutschland teilnahmen, dass eine Steuererhöhung zu über 12.000 Betriebsschließungen und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen könnte. Dazu käme der Verlust der kulinarischen Vielfalt, wenn viele Betriebe schließen müssten.

Die höheren Kosten müssten auf die Verbraucher umgelegt werden und es besteht die Befürchtung, dass viele mögliche Gäste dann aus Geldmangel auf Restaurantbesuche verzichten. Dazu kommt, dass gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise auch der Branche zu schaffen machen. Diese Kosten konnten bisher über den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zumindest zum Teil abgefedert werden.

Weitere Argumente für die Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes sind die Tatsache, dass der Mehrwertsteuersatz auf Essen zum Mitnehmen und aus dem Supermarkt bei sieben Prozent bleibt. Auch in den meisten EU-Ländern fällt bei Speisen dauerhaft ein reduzierter Mehrwertsteuersatz an. Ein fairer Wettbewerb wäre bei einer Erhöhung nicht mehr gewährleistet.

Zudem würden durch die Mehrwertsteuererhöhung auch die Preise für die Verpflegung in Kitas und Schulen steigen.

Welche Argumente sprechen gegen eine Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes?

Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen wurde ursprünglich als Maßnahme zur Unterstützung der durch die Corona-Pandemie stark betroffenen Gastronomiebranche eingeführt. Nun werden aber auch verschiedene Argumente genannt, warum die Mehrwertsteuer auf Speisen ab Januar 2024 wieder erhöht werden sollte.

So argumentiert Friedrich Heinemann, Professor am Leibniz-Institut für Europäische Wirtschaftsforschung, etwa, dass die Steuersubvention nur wohlhabendere und kinderlose Haushalte begünstigen würde. Das ZEW (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) sieht keinen Grund für die Fortsetzung der Subventionierung, da sich die Gastronomie, insbesondere in Metropolregionen, erholt habe.

Daneben sprechen sich auch der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, und Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, gegen eine Fortsetzung der Maßnahme aus. Das oftmals angeführte Sterben der Dorfkneipen lasse sich, so der DIW-Präsident, auch durch die Senkung der Mehrwertsteuer nicht aufhalten, sondern sei veränderten Lebensgewohnheiten geschuldet.

Bundesfinanzminister Lindner lehnt eine Verlängerung der Maßnahme zudem aus Kostengründen ab. Die Maßnahme würde pro Jahr rund 3,3 Milliarden Euro Steuerausfälle verursachen. Wissenschaftler des ZEW schätzen die Steuerausfälle in den nächsten zehn Jahren darüber hinaus auf rund 40 Milliarden Euro, die man auch an anderer Stelle einsetzen könnte.

Aktionsbündnis zur Bewahrung der kulinarischen Vielfalt

Das Aktionsbündnis "VfG – Vereint für die Gastro e. V.", unter der Leitung von Kemal Üres, dem Schöpfer von "Der Gastro-Flüsterer" mit über 650.000 Followern, setzt sich entschlossen für die Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie ein. Unter dem Motto „Rettet die Vielfalt“ plant das Aktionsbündnis verschiedene Maßnahmen, um Gäste in ganz Deutschland für das Thema zu sensibilisieren. Geplant ist unter anderem das Bekleben von Restaurantfassaden mit grellroten „19-Prozent-Aufklebern“, die an einen Ausverkauf erinnern, und die Bereitstellung einer fiktiven „19-Prozent-Speisekarte“. Die Initiative wird von führenden Unternehmen wie Metro, Selgros und Lieferando unterstützt.

08. November 2023