Weinirrtümer und die Kunst des Dekantierens

In gemütlicher Runde eine gute Flasche Rotwein zu trinken, das gehört für viele zum gehobenen Genuss. Oft gibt auch einen besonderen Anlass, der durch das edle Getränk geadelt werden soll. Wer den kostbaren Roten allerdings falsch beurteilt oder behandelt, kann diesen erlesenen Moment schnell ruinieren. Foto: © contrastwerkstatt - Fotolia.com

In gemütlicher Runde eine gute Flasche Rotwein zu trinken, das gehört für viele zum gehobenen Genuss. Oft gibt auch einen besonderen Anlass, der durch das edle Getränk geadelt werden soll. Wer den kostbaren Roten allerdings falsch beurteilt oder behandelt, kann diesen erlesenen Moment schnell ruinieren.

Die meisten Fehler, die einem in dieser Situation unterlaufen können, beruhen auf Irrtümern. Und das ist durchaus eine gute Nachricht, denn Irrtümer lassen sie sich leicht vermeiden. Alles was es dazu braucht, ist ein wenig Aufklärung.

Praktisch - Schraubverschluss

Oft hört man, dass ein Schraubverschluss auf schlechten Wein hindeutet. Vor zehn Jahren hätte man das wohl auch zu Recht behaupten können, inzwischen ist diese Aussage jedoch falsch. Immer mehr Winzer setzen auf alternative Verschlusssysteme, um das Risiko von korkigem Wein auszuschließen. Ob Naturkork, Vino-Lok oder Schraubverschluss, der Wein reift in der Flasche nach, in der sich ausreichend dafür Sauerstoff befindet. Die verschiedenen Verschlüsse haben daher keinen Einfluss auf die Weinqualität – oder doch nur im negativen Sinne, wenn der Wein korkt. Dennoch werden große Rotweine, die meist lange gelagert werden sollen, weiterhin mit Naturkork verschlossen. Hier spielen auch Traditionen und das ästhetische Empfinden der Kundschaft eine Rolle.

In Würde gealtert

Das bringt uns zu einem weiteren Weinirrtum: Je älter der Rotwein ist, umso besser ist er. Rotwein muss reifen, das ist richtig. Allerdings ist dieser Prozess nicht beliebig verlängerbar. Der Wein reift, wird besser, erreicht seinen Höhepunkt und wird dann wieder schlechter. Wie sich diese Kurve genau vollzieht, hängt von verschiedenen Faktoren ab – der Rebsorte, dem Jahrgang, der Verarbeitung und von den Lagerbedingungen. Natürlich spielt auch eine Rolle, welchen Geschmack und welches Bouquet man selbst als optimal empfindet.

Beim Einkauf sollte man darauf achten, dass der zum sofortigen Genuss bestimmte Rotwein auf seine Höhepunkt ist. Meist zahlt man dafür etwas mehr, denn auch die Lagerung kostet.

Wohl temperiert

Nein, Rotwein sollte nicht bei Zimmertemperatur getrunken werden – es sei denn, man mag es generell kühl. Diese längst überholte Regel stammt aus einer Zeit, als die Zimmer noch nicht so perfekt geheizt waren wie heute. 20 Grad und mehr sind einem Rotwein nicht zuträglich. Das Bouquet verändert sich, störende Noten schlichen sich ein und der Alkohol tritt zu stark in den Vordergrund. Bei zu starker Kühlung würde der Wein dagegen sein geschmackliches Geheimnis für sich behalten.

Eine Trinktemperatur von 14 bis 18 Grad gilt für die meisten Rotweine als ideal. Am besten, man probiert es einfach immer wieder aus.

Kräftig durchatmen bitte?

Rotwein muss generell atmen – auch dies ist ein weit verbreiteter Irrtum. Üblicherweise öffnet man die Flasche einige Stunden vor dem geplanten Genuss, damit reichlich Sauerstoff an den Wein strömen kann. Häufig füllt man den Wein dafür in eine Karaffe, einen Dekanter, um Wein und Sauerstoff eine größere Kontaktfläche zu bieten. Das verträgt jedoch nicht jeder Rotwein. Gerade alte Rotweine sind empfindlich, sie können durch schnelle Oxidation ihren Geschmack verlieren oder gar ungenießbar werden. Eine schmale Karaffe ist daher besser für das Dakantieren geeignet.

Bei jungen, kräftigen Weinen, die eigentlich noch nicht die nötige Reife haben, darf der Dekanter gern bauchiger sein, so kommt viel Wein mit dem Sauerstoff in Berührung und er wirkt beim Trinken milder.

Das Depot trennen

Das Dekantieren gereifter Weine dient auch dem Zweck, das sogenannte Depot in der Flasche, bestehend aus Farb- und Gerbstoffen, sowie den Weinstein vom edlen Tropfen zu trennen. Diese Ablagerungen beeinträchtigen nicht den Geschmack, trüben den Wein jedoch ein oder bilden Schlieren, kurz sie stören das ästhetische Empfinden. Deshalb sollte man sich gerade bei gealterten und gerbstoffreichen Weinen mit viel Bodensatz immer die Mühe machen, den Wein zu dekantieren. Das Zeremoniell sorgt zugleich für eine angemessene Einstimmung auf den Abend.

Benötigt werden dafür neben dem Wein eine Karaffe, eine ruhige Hand und eine Kerze. Die Flasche sollte möglichst ein paar Tage vor dem Öffnen aufrecht gelagert werden, damit sich das Depot am Boden sammeln kann. Nun wird sie vorsichtig geöffnet, wobei das Depot nicht aufgewühlt werden sollte. Ein trockenes Tuch ist geeignet, um den Flaschenhals von innen von Korkresten und Ablagerungen zu befreien, die sich dort gesammelt haben können.

Am besten nimmt man nun die Weinflasche in die eine Hand, den Dekanter in die andere und hält beides vor eine brennende Kerze. Die punktuelle Lichtquelle erleichtert es, Trübstoffe und Partikel im Wein zu erkennen. Ganz vorsichtig gießt man nun den Rotwein in den leicht schräg gehaltenen Dekanter. Gegen Ende des Vorgangs tauchen die festen Bestandteile auf, die nicht in die Karaffe gelangen sollen. Sie verbleiben in der Flasche und können weggeschüttet werden.

Zum Wohl

Nun kann der Rotwein serviert werden. Käse sollte man übrigens nicht dazu reichen, zumindest keinen sehr kräftigen, er würde den Geschmack des Weins erschlagen. Wenn es unbedingt Käse sein soll, dann nur junge und milde Sorten mit etwas Brot oder Grissini.

27. Juni 2013