«Sushi in Suhl»: Das berühmte DDR-Restaurant im Kino

«Sushi in Suhl» zeigt die DDR als Biedermeierstaat, dessen Bürger sich Nischen suchten und diese auch fanden.

Einst gab es einen Mann, welcher in der DDR lebte und den Fernweh trübte. Unter Verdeck des «Waffenschmied» führte Rolf Anschütz das erste japanische Restaurant in der DDR. Als «Sushi in Suhl» wurde diese Geschichte nun verfilmt und gelangte sogar in die Kinos.

Das Leben eines eingegrenzten Mannes, der sich die Welt in seine vier Wände holte. Das ist die Geschichte von «Sushi in Suhl». Von der Existenz des Restaurants wusste Hauptdarsteller Uwe Steimle bereits vor der Wende. Das berühmt-berüchtigte Lokal, dessen Existenz in Carsten Fiebelers Komödie im Fokus steht, existierte also wirklich.

Unter Verdeck des «Waffenschmied» führte Rolf Anschütz das erste japanische Restaurant in der DDR. Als «Sushi in Suhl» wurde diese Geschichte nun verfilmt und gelangte sogar in die Kinos.

Bereits in den 1960er-Jahren feilte Anschütz an seinem Traum, den Menschen die feine Kulinarik beizubringen. Er kreierte seine Möbel eigens, dekorierte Wände mit Reispapier und improvisierte in der Küche. Der Wirt kredenzte seine berühmte Maikäfersuppe und lieferte eine Reise in das Land der aufgehenden Sonne, für ein paar Stunden, mitten in Thüringen. Von außen blieb sein «Waffenschmied» ein typisch thüringisches Restaurant.

Das berüchtigte Restaurant der DDR war sehr begehrt: Bis zu zwei Jahre im Voraus musste reserviert werden. «Als wir reinkamen, wurde uns ein Kimono gegeben, dann ging es in die Duschen. Gesäubert und splitterfasernackt wurden wir dann zum Bassin geführt, zuerst nur wir Frauen. Das Wasser reichte uns bis unter den Hals, dann kamen die Männer», erinnert sich eine weibliche Person, die das Restaurant einst besuchte.

«Während des Badens bekamen wir Pflaumenwein und lernten japanische Begriffe. Danach gab es Nudelsuppe, die wir mit Stäbchen essen mussten, also jede Nudel einzeln. Und heißen Sake – viel heißen Sake. Es war ein absolutes Erlebnis.» Ganze Lkw-Ladungen orderte Anschütz in Düsseldorfer Feinkostläden. Fisch, Bambus, Seetangblätter, Soja-Soße und viele weitere Produkte fanden den Weg in den «Waffenschmied».

Japanische Wirtschaftsdelegationen, Messebesucher und volkseigene Brigaden rannten Anschütz die Bude ein. Auch politische Geschäfte wurden im Lokal unter Dach und Fach gebracht, Ost und West trafen friedlich aufeinander. Anschütz blieb weiter bei der Handelsorganisation (HO) angestellt und verdiente dort 700 Mark im Monat. Doch ihm ging es um seine Leidenschaft zum Kochen, nicht um das liebe Geld. Als er für eine Übersetzung eines japanischen Kochbuchs 11 000 Ost-Mark bezahlte, ließ sich seine Frau scheiden. Im Jahre 1979 durfte der Wirt sogar nach Japan reisen und wurde für das beste japanische Restaurant im Ausland ausgezeichnet.

Der Film «Sushi in Suhl» wurde in 29 Drehtagen in Schmalkalden abgefilmt. «Wir zeigen die DDR ohne Stasi, Stacheldraht und SED», sagt Uwe Steimle glücklich. Eingeschüchtert durch die offensichtlichen Machenschaften der DDR, musste auch Anschütz bangen. Dabei war er alles andere als ein politischer Rebell, er wollte Honeckers Staat weder verändern noch aus ihm fliehen.

«Sushi in Suhl» zeigt die DDR als Biedermeierstaat, dessen Bürger sich Nischen suchten und diese auch fanden. Diese Film gewordene DDR-Anekdote richtet sich gemütlich ein in der Nostalgie und bleibt auch in der Schilderung des Funktionärsapparats putzig-skurril.

22. Oktober 2012