Nach Steffen Henssler kommt die Pleite?

Foto: By Management Töne Stallmeyer GmbH (MTS GmbH per OTRS) [<a href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0">CC BY-SA 3.0</a>], <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ASteffen_Henssler_Portrait.jpg">via Wikimedia Commons</a>
Foto: By Management Töne Stallmeyer GmbH (MTS GmbH per OTRS) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Mal ganz ehrlich: Wer kann sich all diese Ich-rette-die-Kochwelt-Sendungen à la Rosin, Rach, Henssler, Kochchefs und Co. noch ansehen, ohne aggressive Neigungen zu entwickeln?

Mit dieser Frage könnten wir den Artikel eigentlich gleich im Intro wieder schließen. Zumal wir in unserem Artikel „Die falschen Machenschaften der Fernsehköche“ bereits auf die Missstände dieser Formate hingewiesen haben. Aber das lassen wir mal und schauen ein wenig in den letzten Ausblick der vom Existenzverlust bedrohten Restaurants. Diese suchen Rat bei einem Fernsehkoch. Wie der heißt, ist eigentlich egal. Hauptsache er hat gute Einschaltquoten und eine generelle mediale Aufmerksamkeit. Die Beschreibung der Sendung lautet immer wie folgt: „…ist eine Doku-Soap, in der Starkoch Max Mustermann ein Restaurant besucht, welches sich in Schwierigkeiten befindet. Innerhalb weniger Tage versucht er, es zu retten…“ Sicherlich mag das auch mal funktionieren, wie FOCUS Online feststellte.

Bei „Rach, der Restauranttester“ mussten von 59 Restaurants 23 schließen. Seitdem Koch Steffen Henssler die Sendung übernommen hat, musste erst ein Restaurant schließen, ein anderes hat einen neuen Besitzer. Allerdings war Hensslers Erstausstrahlung erst am 24. Februar 2014. Bei Christian Rach waren es auch die Spätfolgen, die seine Quote versauten. Quote hin, Quote her. Der Besuch von „Restaurantrettern“ ist oftmals eine Farce. Nicht nur für die Gastronomen, sondern immer öfter auch für den Zuschauer.

Die asiatische Kneipe

Im Roland Eck in Köln: Steffen Henssler mit Küchenchef Slim Chebbi (links). Foto: RTL

Erst seitdem Steffen Henssler die Sendung „Der Restauranttester“ auf RTL übernommen hat, leidet sein Image. Der 42-jährige Henssler ist durch Formate wie „Die Küchenschlacht“ (ZDF), „Topfgeldjäger“ (ZDF), „Grill den Henssler“ (VOX) und „Steffen Henssler hinter Gittern“ (RTL) bekannt.

Am 6. Juli strahlte RTL eine Ausgabe von „Der Restauranttester“ aus, in der Henssler dem „Roland Eck“ in Köln auf die Sprünge helfen sollte. Statt Kneipenessen empfahl Henssler asiatische Küche. Ein Dreivierteljahr nach dem Dreh beklagte sich Inhaberin Evelyn Stolle nun in der „Bild“-Zeitung: „Die Hilfe von Henssler hat nichts gebracht, wir hatten danach mehr Probleme als vorher.“ Als Henssler die Karte umgestellt hatte, sind der Kneipe sogar die Stammgäste ferngeblieben. Und weiter: „Wir hätten uns andere Hilfe gewünscht, zum Beispiel in der Werbung oder im Marketing. Stattdessen hat er in der Küche angesetzt, wo wir eh schon stark sind“, so Stolle. Lange Rede, kurzer Sinn: Von der Henssler-Idee habe man sich getrennt, nun liefe es besser.

Henssler selbst hat sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert. Allerdings hat er bezüglich seiner neuen Aufgabe auch keine wirklich optimistische Prognose abgegeben. Im Frühjahr 2014 sagte er gegenüber „FOCUS Online“, dass er seine Erfolgschancen nüchtern sehe: „Wenn 50 Prozent der Läden gut weiterlaufen, habe ich einen sehr guten Job gemacht“, so Henssler. Naja, wenn man damit schon zufrieden ist…

Aber immerhin bekommt man für Schnapsideen seine Quittung: Die Sendung vom 6. Juli, in der es um das „Roland Eck“ ging, hatte nur 0,95 Millionen Zuschauer in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, was lediglich 9,7 Prozent Marktanteil entspricht. Das berichtet Quotenmeter.de in seinem Artikel „Minusrekorde für «Der Restauranttester»“. Das Branchenportal DWDL.de kommentierte: „Tiefschlag vor der Sommerpause“. Auch in den Wochen davor blieb Henssler weit unter den Erwartungen zurück.

Der Irrsinn der „Restaurantrettungs-Doku-Soaps“

Für die Außendarstellung ist nichts wichtiger als das: Dem Zuschauer vermitteln, dass man verbunden an gemeinsamen Zielen arbeitet. Hier: Christian Rach zu Gast im Restaurant Phil-Ing in Bingen. Foto: RTL

Zudem legte sich Henssler kürzlich mit der vegetarischen Szene an, als er„Vegan my ass“ auf seiner Facebook-Seite schrieb. Der Beitrag mit Shitstorm-Garantie wurde natürlich reichlich kommentiert. Auch von Attila Hildmann. Der deutsche Kochbuchautor hatte im Jahre 2012 gegen Sternekoch Frank Buchholz gewonnen, als beide bei „Stern TV“ kochten.

Dies würde der 34-jährige Hildmann gerne wiederholen – und zwar gegen Henssler. Auf Hensslers „Vegan my ass“-Beitrag reagierte Hildmann wie folgt: „Ja, Steffen Henssler, weil du vegan kochen halt nicht drauf hast…du zeigst lieber fast jeden Tag dem deutschen TV-Publikum, wie man in Zeiten von Massentierhaltung, Tiertransporten und einem dramatischen Anstieg an Zivilisationskrankheiten durch tierische Fette und Proteine, ein Steak brät, Milch-Pudding rührt oder Sushi rollt…*gähn* das konnte meine Oma besser! xD Stell dich einem Koch-Duell: kochen gegen mich mit veganen Zutaten und Blindverkostung durch Zuschauer, die abstimmen! Ich grill dich so wie Frank Buchholz damals bei Stern TV. Bin übrigens morgen in Hamburg bei der Men’s Health Deutschland, dann können wir uns nach dem Shooting mal austauschen oder ich schau bei dir vorbei.“

Aber lassen wir Steffen Henssler mal aus dem Würgegriff und widmen uns dem gesamten Irrsinn der „Restaurantrettungs-Doku-Soaps“. Denn keine von diesen Sendungen ist echt. Alle basieren auf einem ausgeklügelten Drehbuch, sind alles andere als authentisch. Doch das stellte auch Ingrid Hartges fest. Die Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes äußerte sich zu den Koch-Soaps wie folgt: „Das Medium hat eigene Regeln, die darauf zielen, ein Millionenpublikum zu unterhalten. Und das will keine betriebswirtschaftliche Rundumberatung sehen, sondern lieber, wie das Schnitzel in der Pfanne verkohlt oder der Sternekoch in der dreckigen Küche die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.“

Das ewig gleiche Drehbuch

Besonders interessant sind all die gestellten Unterhaltungen und Diskussionen, in denen die Gastronomen und ihr Team nichts weiter machen, als dem Mann mit dem großen Drehbuch in der Hand nachzuquatschen. „Ja“, „Ja“, „Ja“, „Das hilft uns sehr“, alles Kommandos auf Knopfdruck. Ewig dieselbe Leier: Das Restaurant ist dreckig, die Mitarbeiter haben keine fachliche Qualität, die Speisekarte ist schlecht. Achso, das Interieur auch. Das Korsett, in das die Restaurantinhaber gesteckt werden, dürfen sie übrigens nicht ablegen: „Das Recht des Mitwirkenden, diese Vereinbarung ordentlich zu kündigen, wird ausgeschlossen“, so eine übliche Klausel in den Verträgen zwischen Sender und Restaurant.

Ganz wichtig ist außerdem ein Drama. Eine Erkrankung des Inhabers oder eine schlimme Vergangenheit eines Beteiligten sind essentiell wichtig. Aber warum? Ganz einfach: Es bringt Quoten. Quoten, die zumindest Steffen Henssler aktuell vermisst.

13. Juli 2015